Feuer und Flamme fürs Glas | suedostschweiz.ch

2022-09-23 21:39:32 By : Mr. Charles He

Vor sechs Jahren hat Manuel Raves Buchli in Los Angeles per Zufall seine Leidenschaft für das Glasblasen entdeckt. Der 29-jährige Bündner wohnt in Mollis und gehört mittlerweile zu den besten Glaskünstlern Europas.

Die Flamme des Glasbrenners zischt und leuchtet gelborange, mit dem Fuss reguliert Manuel Raves Buchli die Stärke. Immer wieder hält er das Glas in seiner Werkstatt in Beglingen Mollis in die Flamme, zieht es heraus, bläst in ein Glasrohr, um es nach seinen Wünschen zu formen. Feingefühl ist gefordert. «Ich mache ein Schnapsglas», erklärt der 29-Jährige. Zuerst muss aber noch eine Schutzbrille angezogen werden.

Rund eine Stunde dauert es, bis es fertig ist. «Dafür, dass ich es so schnell gemacht habe, bin ich eigentlich ganz zufrieden mit dem Resultat», sagt der gebürtige Bündner aus La Punt im Engadin. Er lacht viel und oft, während er das Schnapsglas herstellt. Seine Arbeit bereitet ihm sichtlich Spass. Beim Arbeiten geht er kaum auf die Fragen ein. Ob die Lüftung wohl zu laut ist? «Nein, nein. Während ich arbeite, verfalle ich in Trance. Es ist wie eine Meditation für mich.»

Der Glaskünstler hat nicht nur grosse Freude an dem, was er tut, er ist auch richtig gut darin. Gelernt hat er Versicherungskaufmann, «aber irgendwie war das Büro nichts für mich». So braucht es einen Zufall, um ihm seinen zukünftigen Lebensweg aufzuzeigen. 2011 geht er nach Los Angeles, um eine Filmschule zu besuchen.

Es kommt aber alles ganz anders. In einer Glasgalerie sieht er ein Ausstellungsstück. Es habe bei ihm einen «Wow-Effekt» ausgelöst. Zuerst habe er gedacht, dass es bemalt sei, aber es stellte sich heraus, dass alles aus farbigem Glas hergestellt wurde. «Das hat mir schon imponiert.» Er ist Feuer und Flamme für die Glasbläserei, und zurück in der Schweiz verschreibt er sich ganz seiner neuen Leidenschaft. 2012 beschliesst Manuel Buchli, in die USA zu reisen. In Berkeley besucht er eine Glasbläserschule. Drei Monate verbringt er in Nordkalifornien. In dieser Zeit bekommt er von seinen Mitstudenten auch den Künstlernamen Katsu Sure verpasst.

Nach der Rückkehr in die Schweiz sucht er ein passendes Haus in seinem Budget und näheren Heimat, um sich als Glasbläser selbstständig zu machen. Fündig wird er im Glarnerland. «Mir gefällt es sehr gut hier im Schlitz.» Für einen Engadiner sei es aber nicht so schwierig, sich im engen Glarnerland mit seinen hohen Bergen zurechtzufinden, ergänzt er mit einem Schmunzeln.

Im Erdgeschoss hat er seine Werkstatt eingerichtet. In einer Ecke befindet sich sein Arbeitsplatz, umgeben von Werkzeug wie einem Glasschneider, den Glasstäben, die er zum Verarbeiten benutzt, und ganz wichtig, ein Lautsprecher für Musik. Auf einem Tisch liegen unzählige Produkte von Wasserpfeifen über Glasaugen bis hin zu einem Riesenrad.

«Es findet alles im Kopf statt, der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Die Begrenzung ist der eigene Kopf.» Er produziert eigentlich alles. Sein liebstes Produkt sind Wasserpfeifen. Er stellt aber auch Motorräder oder Helikopter, Comicfiguren und «… eigentlich alles Mögliche» her. «Einen Moment», sagt Buchli augenzwinkernd. Er kramt etwas Eingepacktes hervor und öffnet es. Das ist doch? «Jaja, das sind Erwachsenenspielzeuge, also Dildos», sagt er mit seinem breitesten Lachen. Ein Erotikhändler gab sie in Auftrag. Die Zahl an Aufträgen allgemein würde stetig steigen, und mittlerweile lebt Katsu Sure von seiner Arbeit als Glasbläser. «Ich bin sehr zufrieden, wie es im Moment läuft.»

Die selbst kreierten Arbeiten bietet er auf seiner Webseite an. «Grösstenteils verkaufe ich nach Amerika. Viele Schweizer wissen nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gibt.» Aber er sei ja jetzt hier, um dies zu ändern. Dass er dies nicht ganz so ernst meint, verrät sein verschmitztes Lachen. Einen Laden hat er nicht, aber selbstverständlich sei jeder in seiner Werkstatt willkommen. Wie auch zu seinen Kursen, die er anbietet. «Ziel ist es, eines Tages eine grössere Schule zu eröffnen.» Vielleicht näher an der Stadt, obwohl er wiederholt, wie sehr es ihm im Glarnerland gefalle.

Ende September fanden in Barcelona die Europameisterschaften im Glasblasen statt. Katsu Sure wurde an dieser Zweiter, zum zweiten mal in Folge. «Das bedeutet mir etwas, ich bin schon stolz darauf.» Hergestellt hat er eine Wasserpfeife in Form eines Drachens, der sogar unter Schwarzlicht leuchtet. 16 Stunden habe er dafür benötigt, erzählt er. Geschlagen wurde er nur von einem Spanier. «Damit kann ich leben, er ist ein guter Freund von mir. Beim nächsten Mal visiere ich trotzdem den Sieg an.»

Die Herstellung des Schnapsglases geht in die Endphase. Er hält es ins Licht, neigt seinen Kopf und kontrolliert, ob die Wölbung auch gut ist. Das Glas besteht aus drei Teilen, einem Verbindungsstück, dem Fuss und dem Glaskopf. Die Teile, die fertig sind, wandern in einen 565 Grad warmen Ofen. «Dadurch ist die Gefahr kleiner, dass das Glas zerspringt, wenn ich es wieder in die 3000 Grad Celsius heisse Flamme des Glasbrenners halte, um die Teile zu verbinden», erklärt Buchli. Das Produkt darf sich durchaus sehen lassen, und die Flamme am Brenner erlischt. «Der Fuss ist ein bisschen zu klein, aber sonst ist es ganz gut.» Das Glas besteht auch noch den Praxistest – mit Wasser notabene, denn für einen Schnaps ist es laut Manuel Buchli so kurz vor dem Mittag doch ein wenig zu früh.

Paul Hösli ist Redaktor bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Wenn er keine Artikel über das regionale Geschehen verfasst, produziert er die Zeitung. Zudem ist er der Stellvertreter von Ruedi Gubser für das Ressort Sport. Er ist seit 1997 bei der «Südostschweiz», im Jahr 2013 wechselte er intern von der Druckvorstufe in die Redaktion. Zuerst in einem 40-Prozent-Pensum und seit 2016 zu 100 Prozent. Mehr Infos